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Adventskalender Tag 14

Der verwunderte Esel

Es war einmal ein Esel, der ein ruhiges und geordnetes Leben in der Stadt Nazareth führte. Der Esel gehörte einem Zimmermann, und er fühlte sich bei ihm sehr wohl. Er hatte dort genug zu essen und zu trinken und schwere Lasten musste er nur sehr selten für seinen Herrn tragen. Die meiste Zeit stand er hinter dem Haus und schaute sich an, was um in herum passierte. Es war ein sehr harmonisches Leben.
Es begab sich aber zu einer Zeit, in der der Esel beobachtete, dass sich viele Menschen um ihn herum mit ihren Eseln, Schafen und Ziegen auf den Weg machten. Er versuchte herauszufinden, was vor sich ging, schnappte aber nur ein paar Worte wie „Zählen“ oder „Kaiser“ auf. Was sollte das nur bedeuten? Und warum stand er noch am Haus? Warum ging sein Herr nicht los?
Am nächsten Morgen spürte er auf einmal eine Decke auf seinem Rücken. Dann wurden ihm rechts und links Lasten angeschnallt. Nun sollte es also auch für ihn losgehen. Der Esel war ganz aufgeregt, so etwas spannendes hatte er in seinem Eselleben noch nicht erlebt. Als er losgehen wollte, hielt ihn sein Herr noch zurück. Er spürte einen Ruck und dann noch eine Last auf seinem Rücken. Eine schwere Last. Als er langsam seinen Kopf drehte, erkannte er die Frau seines Herrn, die auf seinem Rücken saß.
„Nee, oder?!“, dachte er sich still. Die Frau war im letzten halben Jahr ein wenig korpulent geworden und er sehnte sich nicht gerade danach, sie auf seinem Rücken durch die Gegend zu tragen. Er spürte allerdings, dass es ihr nicht gut ging und es für sie beschwerlich war sich zu Bewegen. Der Esel hatte ein gutes Herz und tat, was er für nötig hielt.
Die Reise war lang und das Gepäck schwer. Er war froh, als sie endlich an einem Ziel angekommen waren. Der Esel staunte nicht schlecht, dass sein Herr und seine Frau extra so lange nach einem freien Stall für ihn gesucht hatten. Das berührte ihn wirklich sehr und die Strapazen der Reise waren ganz schnell vergessen. Ein freier Stall war es jedoch nicht wirklich, ein Ochse wohnte dort auch, und seine beiden Reisebegleiter suchten sich wohl auch einen Schlafplatz. Der Esel war allerdings so schnell eingeschlafen, dass ihn das nicht mehr störte.
Umso mehr war er überrascht als er aufwachte und der Stall von hellem Licht erleuchtet war. Er stand auf und schaute sich um. Sein Herr, seine Frau und der Ochse standen um die Futterkrippe herum. Langsam bewegte er sich zu der Krippe hin und schaute hinein.
Ein Kind. Ein winzig kleines Kind lag in der Krippe und schlief selig – eingekuschelt in weichem Stroh. Er spürte, wie ihm vor Rührung eine Träne über den Hals lief. So stand er da, der Ochse neben ihm. Und sie standen noch lange so da und schauten sich dieses kleine Wunder an.

Eine Geschichte von Annika Schneider.

Quelle: Der verwunderte Esel

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